Moderne Katzenzucht und ihre Tücken

Veröffentlicht am 8. März 2025 um 13:44

 

Die Elite der Katzen - oder doch viel mehr die Opfer des menschlichen Konsums?

Katzenzucht bringt die verschiedensten Phänotypen zum Vorschein: Extravaganz auf vier Pfoten und sie kennt oftmals keine Grenzen.

Leider bezahlen die Träger der obersten Katzenschicht oft einen hohen Preis: Ihre Gesundheit.

 

Die Nachfrage bestimmt den "Markt": Katzenzucht kann etwas Gutes bewirken, wenn wir als Katzenliebhaber uns statt für vermeindliche "Schönheit" für die Gesundheit entscheiden!

Das Miezendrama in drei Akten

Angebot und Nachfrage

Exotische Schönheiten, besondere Farbspiele und faszinierende Andersartigkeiten begeistern Tierliebhaber.

Jeder möchte etwas Besonderes - besonders kuschelig, besonders kindlich, besonders anders. 

Die Nachfrage nach Kuriositäten wächst stetig, weil viele Katzenliebhaber es (noch) nicht besser wissen. Sieht sie nicht süß aus, die Katze mit ihrer eingedellten Nase? Sie ist so schön kuschelig und schnarcht so niedlich. Das ist alles rassebedingt "normal".

In den sozialen Medien werden sie noch bekannter, die sogenannten "Katzenkinder". Aber wie viel Vermenschlichung ist gesund für unser Lieblingshaustier?

Defektzuchten

Auch als Qualzuchten betitelt entstehen immer wieder neue, extreme Merkmale, die die Katze leiden lassen.

Im Tierschutzgesetz steht: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen"

Und trotzdem geschieht es immer wieder. Was ist ein vernünftiger Grund? Wie viel Leid ist vertretbar?

Die Meinungen gehen hier offensichtlich weit auseinander. Auf Katzenshows gewinnen jene Tiere mit den ausgeprägtesten Merkmalen - eine neue Generation an Katzenleid, welches dann weiter gegeben oder sogar weiter maximiert wird. Jene "Gewinner", wenn man sie denn so nennen möchte, geben ihre Gene massenhaft weiter. Schließlich möchten alle nun Kätzchen vom Champion - dies jedoch führt uns schließlich zum dritten Problem!

Erbkrankheiten

Zu Erbkrankheiten kommt es schnell, wenn mit zu wenigen Tieren gezüchtet wird. Dies passiert oftmals zum Beispiel dann, wenn eine neue Rasse mit bestimmten Merkmalen entstehen soll - Es kommt zur Inzucht, um gewünschte Phänotypen oder sogenannte Linien heraus zu züchten. Gleichzeitig führt dies zur Verarmung der Gene.

Jedes Lebewesen hat einen Bauplan, der aus Chromosompaaren besteht. Und jeder trägt ein paar Fehler in seinem Plan mit sich herum. Diese Fehler werden durch das zweite Chromosom in vielen Fällen gut überspielt, sodass wir trotzdem gesund bleiben. Wenn es aber immer weniger Vielfalt und Spielraum in diesem Bauplan gibt, kommt es zu immer mehr Fehlern, die plötzlich auf beiden Chromosomen liegen. Dies führt dann zu Erbkrankheiten. Bleiben diese unentdeckt werden sie schnell weiter gegeben.

Ein seriöser Züchter lässt seine Tiere auf diese Krankheiten testen, bevor er sie in die Zucht aufnimmt. Leider gibt es immer wieder neue Erkrankungen, die oft spät erkannt werden.

Was bedeutet das jetzt?

Das bedeutet, wir müssen umdenken, bevor es zu spät ist. Anstatt das Sonderliche, Besondere zu normalisieren, indem wir es gut heißen oder das Leid der Katzen klein reden, sollten wir beginnen, die Gesundheit der Tiere wieder zu normalisieren. Vielleicht sollten auf Katzenshows nicht jene Tiere einen Preis erhalten, die möglichst dem phänotypischen Rassestandard entsprechen, sondern viel mehr jene mit dem besten Gesundheitszeugnis.

Einige Züchter haben sich zum Ziel gemacht, das Leiden einzelner Rassen durch Rückzüchtungen zu beenden. Dies beinhaltet jedoch oftmals viele Generationen, die dazwischen trotzdem weiterhin Leid ertragen müssen. Eine moralische Frage, die sich ein jeder stellen sollte: In wie weit finde ich es für mich persönlich vertretbar, dass zig Katzengenerationen zumindest teilweise ein Leid ertragen bis meine geliebte Rasse wieder ungestört atmen kann, lange Vibrissen besitzt oder einfach schmerzfrei laufen und springen kann?

Und was ist mit jenen Merkmalen, die vielleicht nicht schädlich sind, aber trotzdem von der Normalität abweichen? Nehmen wir als Beispiel die Polydaktylie bei der Maine Coon - Sechs Zehen zu haben scheint nur in der Katzenwelt ein begehrtes Ziel zu sein. Niemand freut sich, wenn sein Kind mit sechs Zehen geboren wird, auch, wenn es nicht aktiv darunter leidet... oder? Vielleicht sollten wir uns öfter die Frage stellen "Würde ich dieses Merkmal bei einem Menschen gutheißen?"

Gleichzeitig sollten wir aufhören unsere Tiere zu vermenschlichen. Die Nase immer kürzer, die Stirn immer höher, die Augen immer größer - das Kindchenschema sollte bei Menschenkindern bleiben und nicht auf unsere Tiere übertragen werden. Wer etwas Niedliches zum Knuddeln sucht, sollte vielleicht lieber auf ein Kuscheltier zurückgreifen.

 

Ist Katzenzucht zu vermeiden?

Katzenzucht an sich ist nicht per se etwas schlechtes.

Es gibt durchaus Züchter, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich für die Gesundheit Ihrer Rasse einsetzen.

Meiner Erfahrung nach sind das oft Menschen, die weniger auf Katzenshows zu finden sind, weil ihre Tiere da meist weniger Chancen hätten. Mutige Züchter, die sich nicht alleine nach den Rassestandards richten, sondern viel mehr nach einer gesunden Körperform streben, die ihre Katzen kostspielig auf Erbkrankheiten testen lassen und für Aufklärung in der Gesellschaft sorgen, haben meine Anerkennung.

 

Wer sich weiter in das Thema einlesen möchte, dem empfehle ich die Bücher von Prof. Dr. Achim Gruber, einem Tierpathologen. Sie sind gut verständlich geschrieben und geben einen großen Einblick in die hier angerissene Problematik. Auch wenn es in den Büchern mehr um Hunde als um Katzen geht, ist vieles gut übertragbar. 

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